
Seit Xavier Milei sind Motorsägen politische Programme. Vor allem bei Exponenten, die nichts auf ausformulierte Konzepte geben, kommt das brachiale Werkzeug zum showmässigen Einsatz. Elon Musk handhabt es im Auftrag von Donald Trump, der das furchterregende Ding lieber nicht selbst in die Hände nimmt, es aber gern für sich sprechen lässt.
Ein wenig hat man sich schon daran gewöhnt, dass Xavier Milei und Elon Musk, ihre Kettensägen steil nach oben gerichtet, auf Bühnen herumspringen wie Rockstars, die von ihren E-Gitarren unter Strom gesetzt sind. Mit heulenden Motoren und furchterregenden Sägeschwertern gehören diese Apparaturen zum Arsenal von Horror- und Schlächterfilmen. Ihre Instrumentalisierung für die möglichst drastische Inszenierung einer auf Abriss ausgerichteten Politik liegt deshalb nahe: Ein Milei sieht im Niederreissen des nicht mehr funktionierenden Staates Argentinien die einzige Möglichkeit, aus der bereits während Jahrzehnten drehenden Abwärtsspirale auszubrechen, und er will dabei keinerlei Rücksichten nehmen auf die von diesem Kahlschlag existenziell Betroffenen. Seine Devise lautet, der schmerzhafte Prozess könne nur dann kurz ausfallen, wenn er mit aller Brutalität durchgezogen werde.
Musk ist der Epigone dieser politischen Heilslehre und er hat keine Hemmungen, bei Milei die drastische Metapher der Kettensäge abzukupfern. Doch anders als bei Milei richtet sich bei ihm der Furor nicht gegen einen realen, sondern einen lediglich ideologisch behaupteten Missstand. Der Silicon-Valley-Club der Tech-Unternehmer fantasiert den US-Staat und die öffentlichen Dienste zu tyrannischen und gefrässigen Ungeheuern, denen man mit der Kettensäge zu Leibe rücken müsse.
Eine ähnliche Seelenverwandtschaft wie zwischen den beiden Kettensägenfans besteht offenkundig zwischen Musk und seinem angeblichen Freund Trump. Freundschaft? Es dürfte sich eher um eine Art Joint Venture handeln. Trump nutzt Musks theatralischen Furor gegen «den Staat», um seiner Gefolgschaft zu demonstrieren, dass er das im Wahlkampf Versprochene liefert. Und Musk nutzt die ihm von Trump gebotene Gelegenheit, sich als libertären Disruptor in Szene zu setzen, der in Staat und Wirtschaft keinen Stein auf dem anderen lässt.
Die beiden mächtigsten Männer der Welt produzieren einen unausgesetzten Medienlärm mit immer neuen Ungeheuerlichkeiten, ganz nach Steve Bannons offen deklarierter Devise «flood the zone with shit». Und so werden denn oft im Stundentakt wichtige Institutionen im Orkus versenkt, Kohorten von Staatsbediensteten in die Wüste geschickt, soziale Einrichtungen geschreddert, internationale Wirtschaftsbeziehungen schockgefroren, Bildung an der Spitze und in der Breite beschädigt, verbündete Nationen brüskiert, Unabhängigkeit und Autorität der Justiz untergraben, Klima- und Umweltpolitik auf den Müllhaufen geworfen.
Die Salven von Entscheiden werden stets begründet mit dreisten Verdrehungen oder Lügen und garniert mit unflätigen Beschimpfungen. Trump hat schon in seiner ersten Regierungszeit eine Kommunikationspraxis etabliert, mit der er sich nicht nur die generelle Lizenz zur Unwahrheit erteilt, sondern den rationalen Diskurs grundsätzlich verweigert. So etwas wie einen Widerstand der Fakten gegen die Beliebigkeit des Redens gibt es in Trumps Universum nicht. Eine Auseinandersetzung mit ihm ist deshalb ein aussichtsloses Unterfangen.
Das nun seit einem Vierteljahr dauernde Regnum Trump II überfordert eine kritische Beobachtung und Einordnung auf der ganzen Linie. Soll man von Illiberalismus oder Autoritarismus sprechen? Für jede dieser Bezeichnungen gäbe es starke Gründe. Doch Trumps Regime ist brutaler als Orbáns geschmeidige Illiberalität, es ist chaotischer als Putins gefestigter Autoritarismus. Das ungarische Vorbild und die russische Benchmark des US-Präsidenten lassen sich in Kategorien politischen Herrschens recht klar erfassen; beim Versuch, den Trumpismus vergleichend zu verstehen, ergeben sie keinen klaren Treffer. Auch in den Kategorien der Populismus geht das Phänomen Trump nicht restlos auf. Der irrlichternde Präsident ist nicht zuletzt auch ein Produkt der Unterhaltungsindustrie, eine an die Aufmerksamkeitsökonomie digitaler Plattformen und kommerzieller Medien angepasste Figur, ein Politik-Ersatz für die politisch Gleichgültigen und Ahnungslosen.
Die Kettensägen-Metapher, die sein Adlat Elon Musk aus Argentinien importiert hat und mit der er die von Trump bewirtschafteten Ressentiments ausdrückt, funktioniert perfekt als Markenzeichen des Trumpismus: Sie charakterisiert das System Trump mit ihrer brutalen Simplizität recht genau. Eigentlich hielte ja das politische Vokabular für den Anspruch, alles in Staat und Wirtschaft, in Gesellschaft und Kultur grundlegend zu ändern, einen bildstarken Begriff bereit: die Revolution, das Umdrehen der Verhältnisse. Doch Trump geht der Vokabel der totalen Umwälzung geflissentlich aus dem Weg. Vielleicht tut er das, weil das Revolutionäre einen Plan verlangt, weil es Konsequenz und Disziplin erfordert – alles keine Domänen, in denen ein Trump sich zu bewegen vermöchte.
Sicher fühlt Trump sich nur im Zerstören. Davon spricht er andauernd und droht, Gegner sowie ganze Wirtschaften und Nationen zu zerstören, wenn sie sich ihm nicht unterwerfen. Seit seinem zweiten Amtsantritt agiert er auf einem neuen Level zerstörerisch. Um dem Regierungsapparat jeden Widerstand gegen seine fixen Ideen zu verunmöglichen, dezimiert er ihn. Fügt sich die Notenbank nicht seinem Willen, mit der Droge des billigen Geldes die Folgen seiner desaströsen Wirtschaftspolitik zu überdecken, so setzt er die für sein Land essentielle Unabhängigkeit der Federal Reserve Bank aufs Spiel. Versuchen Gerichte sein illegales Treiben zu stoppen, untergräbt er hemmungslos den Rechtsstaat. Der Mann im Weissen Haus betreibt Politik im Geist der Kettensäge. Seine Sprunghaftigkeit, sein Imponiergehabe und seine erratische Politik sind in diesem Symbol des rücksichtslosen Dreinfahrens geradezu schlagend verkörpert. Dass ein anderer mit dem heulenden Apparat hantiert, kommt ihm sicherlich zupass. Denn sobald es sich nicht mehr verbergen lässt, dass dessen Einsatz mehr schadet als nützt, wird Trump voller Empörung auf den Kettensägenmann zeigen.
Bis Anfang 2029 wird Trump voraussichtlich im Amt sein, und wenn es nach ihm ginge, sogar länger. Niemand kann sich ausmalen, wie er die USA bis dahin verändern und wie sich seine Politik global auswirken wird. Die mächtigste Position in der Weltpolitik hat ein unberechenbarer Egomane inne, von dem man nur das Eine sicher weiss, dass er eine grosse Lust am Zerstören hat. Wir leben im Zeitalter der Kettensäge.
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