Die Schweizer Kirchen haben für Weihnachten eine Lockerung der Coronamassnahmen verlangt. Gottesdienste sollen stattfinden und auch Lieder gesungen werden. Solidarisch und wegweisend wäre etwas anderes: der Verzicht.
Heiligabend-Gottesdienst oder Christnachtfeier sind die Highlights der Kirchen. Keine biblische Erzählung ist so gesättigt mit Bildern, so verbunden mit Bräuchen und so verankert im kollektiven Gefühlshaushalt wie die Weihnachtsgeschichte. Dem Bemühen, das an dieser Erzählung hängende Fest würdig zu zelebrieren und zum besonderen Erlebnis zu machen, widmen Pfarrerinnen, Chöre, Organisten, Siegristinnen und viele Freiwillige landauf landab sich Jahr für Jahr. Für viele Mitglieder ist diese Feier einer der ganz wenigen Berührungspunkte mit ihrer Kirche. Für alle Versammelten ist sie schön, anrührend und ein bisschen geheimnisvoll.
Jedes Jahr ist das so. Auch im Corona-Jahr? Jein, sagt der Bundesrat. Auf Druck der Kirchen hat die Landesregierung entgegen ihrem generellen Veranstaltungsverbot Gottesdienste mit maximal fünfzig Personen zugelassen. Gemeindegesang ist verboten. Was prompt wieder neue Proteste aus kirchlichen Kreisen ausgelöst hat. Für die Weihnachtsfeiern solle das gemeinsame Singen sowohl in Kirchen wie im Freien eine Ausnahmeerlaubnis haben.
Das Thema ist wegen der in jüngster Zeit nochmals verschärften Pandemiesituation heikel. Die Schweiz zählt seit mehreren Wochen zu den am schlimmsten betroffenen Ländern nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt, bleibt aber störrisch bei ihrem «schweizerischen Weg» der extrem zurückhaltenden behördlichen Eingriffe. Die Folgen zeigen sich in den Spitälern. Pflegepersonal, Ärztinnen und Ärzte schlagen Alarm. Sie sind am Anschlag, es drohen personelle Ausfälle. Bereits wirkt sich die notwendig gewordene Zurückstellung nicht coronabedingter Behandlungen für das Gesundheitssystem kritisch aus.
Angesichts dieser Situation ist das kirchliche Lobbyieren für die Weihnachtsfeiern deplatziert. Die Begründung, religiöse Feiern und schöne Rituale seien jetzt besonders wichtig und trügen zur Durchhaltekraft der Bevölkerung bei, ist nicht stichhaltig, weil sie keine Besonderheit darstellt. Das gleiche können Gastwirte und Kulturveranstalterinnen geltend machen. Und was sollen das für Weihnachtsfeiern sein, denen nur fünfzig Personen beiwohnen können!
Sinnvoll wäre jetzt ein freiwilliger Shutdown der Kirchen: Keine Gottesdienste an Heiligabend! Ein Zeichen setzen dafür, dass jetzt der Ernst der Situation von allen gesehen werden soll! Und ganz wichtig: Dieser Entscheid muss der Öffentlichkeit bekanntgemacht und als Signal der Solidarität erläutert werden.
Zugleich ist auch zu kommunizieren, was die Kirchen anstelle der Heiligabend-Gottesdienst anbieten. Viele Kirchgemeinden und Pfarreien sind erfinderisch und bringen die Weihnachtserzählung dieses Jahr anders als gewohnt zu den Leuten. Zusammen mit dem solidarischen Verzicht kann das eine gute Geschichte werden.
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