Mein Bericht über eine Studienreise im Jahr 1995 scheint ein ganz anderes Land als die heutigen USA zu zeigen. Und doch war die Spaltung der Nation in gewisser Weise schon da.
Vor 25 Jahren war ich beruflich drei Wochen in Nordamerika unterwegs. Ein dichtes, mit Hilfe des WACC-Netzwerks (World Association for Christian Communication) minutiös geplantes Besuchsprogramm gab Einblick in ein weites Feld religiöser Präsenz im Fernsehen. Dabei liess ich bewusst links liegen, was damals auch in europäischen Medien hohe Wellen warf: die evangelikal-fundamentalistischen Megakirchen, die als «Electronic Churches» mit eigenen Satelliten- und Kabelkanälen ihre dubiosen Botschaften verbreiteten und das grosse kommerzielle Rad drehten. Das war in allen möglichen Facetten bekannt: als Beispiel des typisch amerikanischen Gigantismus, des hemmungslos schlechten Geschmacks und des Zusammentreffens von skrupellos manipulativer Religion mit machtvollem Medienbusiness.
Es war nicht dieses vielbesprochene Spektakel, das mich damals nach den USA zog. Ich wollte vielmehr die Medien-Units der «normalen» Kirchen, die für unsereins schon bunt und schillernd genug erscheinen können, kennenlernen: ihre Programme, ihre Organisationen, ihre Pläne. Und so besuchte ich denn TV-Macher von der glamourösen CNN-Zentrale bis zum improvisierten Garagensender, vom grossen Serienproduzenten bis zu experimentellen Multimedia-Entwicklern, von gesellschaftspolitisch progressiven Aktivisten bis zu stockkonservativen Glaubenshütern.
Gewiss war das ein anderes Amerika als heute, doch im Rückblick scheint es, die heute so dramatische Spaltung der Gesellschaft habe sich bereits abgezeichnet. In vielen Gesprächen wurde damals für den Medienbereich als Auslöser eines unguten Umbruchs immer wieder die von Ronald Reagan betriebene Deregulierung genannt. Heute kann man feststellen, dass diese mit Erscheinungen wie Fox News und den reaktionären Talk-Radios machtvolle Agenten der Entzweiung hervorgebracht hat, die bis heute zum rauhen gesellschaftlichen Klima des Landes beitragen.
Hier mein in der ökumenischen Fachzeitschrift «ZOOM K&M – Kommunikation und Medien» (Nr. 7, Februar 1996) erschienener Artikel:
Religion, Fernsehen und Neue Medien in den USA – Ein Reisebericht
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