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Bilderverbot, Bildersturm, Bilderflut

Die reformierte Konfession gilt als spröde gegenüber dem Sinnlichen. Ihre Gottesdienste seien «wortlastig», die Rituale steif, die Inszenierungen mager. Das hört man von verschiedenen Seiten: als abschätziges oder bedauerndes Verdikt von Aussenstehenden und als bewegte Klage aus den eigenen Kreisen. Das ist zwar ein oberflächliches Pauschalurteil, aber ganz falsch ist es trotzdem nicht. Den Protestanten, und unter diesen besonders den Reformierten, haftet oft eine Strenge an, eine Askese gegenüber allem Pompösen, Inszenierten, Spielerischen, Theatralischen. Glaube und Kirchenkultur des Protestantismus äussern sich in bedeutungsgesättigten Worten und gravitätischer Musik, einem hochkulturellen Schema also, das getragen ist von Innerlichkeit, Gedanklichkeit und gehobenem Ausdruck. Im Mittelpunkt steht das hörende Individuum. Mit dieser Fokussierung wird die reiche, oft ekstatische religiöse Erlebniswelt des Kultes gewissermassen gebändigt zum protestantischen Gottesdienst. Dieser ist darauf angelegt, die Anwesenden als verstehende Personen anzusprechen. Die reformierte Liturgie sieht die Gemeinde als Versammlung von Individuen, nicht als überwältigte und gelenkte Schar von Eingeweihten.

 

Im Einflussbereich Zwinglis und Calvins führte diese Art von geistlicher Rationalität mitunter zu einem Rigorismus, der das Glaubensleben als nie endenden Parcours zur persönlichen Vervollkommnung verstand. Für dieses ewig ferne Ziel brauchte es Bibelauslegung, Gebet, Gesang – alles andere lenkte nur ab.

 

Das ist Vergangenheit. Reformierte sind keine strengen Calvinisten und Zwinglianer mehr. Theologische Entwicklungen und ökumenische Kontakte haben die Konfessionen geöffnet und binnenkirchliche Multikulturen entstehen lassen. Aber das Erbe der ästhetischen Askese ist noch da. Reformierte Kirchen sind zwar längst nicht mehr grundsätzlich bildlos, aber noch immer arm an visuellen und szenischen Ereignissen. Ganz aus der Luft gegriffen ist das eingangs zitierte Klischee also tatsächlich nicht. Seine Berechtigung erweist sich oft ausgerechnet da, wo man sich mit bestem Willen bemüht, den sinnlich-emotionalen Defiziten reformierter Liturgien abzuhelfen. Einzelne glauben den Mangel angehen zu können, indem sie das Abendmahl zum festen Mittelpunkt der Liturgie erheben. Dieses hochkirchliche Rezept bleibt eine Randerscheinung, weil es von reformierten Gewohnheiten und Sensibilitäten wegführt. Häufiger ist die Praxis, Gottesdienste mit Einlagen aus dem sozialpädagogischen Methodenkoffer anzureichern; der didaktische Beigeschmack, den solche Feiern leicht annehmen, kann allerdings befremdlich wirken. Kaum besser steht es mit Ritualen, die zum Zweck der emotionalen Kommunikation erfunden werden; sie entkommen selten der Problematik, dass verstimmt reagiert, wer die Absicht merkt. Solche Versuche haben ihren Ort meist in besonderen Gottesdiensten und zählen quasi zum kirchlichen Repertoire für spezielle Anlässe und Gruppen. Nahezu normal ist hingegen die Mode geworden, die Liturgie laufend zu kommentieren. Was man im Gottesdienst sagt und singt, wird erklärend, manchmal fast entschuldigend angekündigt. Obschon die Moderation das Traditionsgut zugänglicher machen möchte, wird dessen Fremdheit womöglich durch den ständigen Wechsel zwischen «Reden» und «Reden über das Reden» überhaupt erst als störend empfunden.

 

Hören und Sehen

Es lässt sich nicht umgehen oder kaschieren: Reformierte Gottesdienste sind anspruchsvoll. Sie gelingen dank dem Vertrauen, dass die Gemeinde hören will, und sie nähren die Bereitschaft zum Hören durch die Kraft von Wort und Musik. Die Einsicht, der Glaube komme vom Hören, hat in der Reformation Sprengkraft bekommen. Gottesdienstverständnis und Kirchenkultur sind davon besonders bei Zwingli und Calvin tief geprägt. Für reformierte Theologie ist das Hören gegenüber dem Sehen vorrangig. Das Ohr ist der Sinn des Gemüts und der Vernunft, es sucht die Zentrierung auf jeweils eine Sache und ist dabei gebunden an den Ablauf der Zeit und der narrativen Redeform. Auch lässt sich das Hören nicht ausschalten. Es ist Teil des wachen Lebens und immer wieder angewiesen auf die Ruhe und Echoräume der Stille. Gegenüber dem Auditiven ist das Visuelle zunächst ein Überfliegen oder Streifen von Eindrücken, gesteuert von Blickrichtungen und Erkennungsmustern. Es erzeugt ein Gemenge von Emotionen und Informationen und tendiert zur gleichzeitigen Wahrnehmung von möglichst Vielem, um da und dort auf einen Brennpunkt umschalten zu können.

 

Ob die theologische Priorität des Hörens vor dem Sehen tatsächlich zur Geringschätzung von Bildern und visuellen Inszenierungen führen soll, wie das in der Reformationszeit geschehen ist? Darauf ist noch zurückzukommen. Es ist eine historische Tatsache, dass der Bildersturm des frühen 16. Jahrhunderts, also die Entfernung und grossenteils Zerstörung von Altären, liturgischen Gewändern und Geräten, Tafelbildern, Statuen, Wandmalereien etc. besonders im Gebiet der zwinglianischen Reformation wenig übrig gelassen hat. Der Kahlschlag in den Kirchen ging parallel mit der Abschaffung sichtbarer und in Szene gesetzter Religiosität im damaligen Alltag. Es verschwanden Wegkreuze, Prozessionen, das Klosterleben, aber auch viele Bräuche und Feiertage. Die Gründe hierfür waren nur teilweise theologischer Art. Der Erfolg der Reformation verdankt sich in starkem Mass der Verschränkung religiöser, sozialer, wirtschaftlicher und machtpolitischer Interessen. Auch bei der Entfernung von Bildwerken und Schmuck aus den Kirchen ging es nicht allein um die Konzentration auf das Hören des Gotteswortes, sondern ebenso sehr um Auflehnung gegen provozierenden kirchlichen Reichtum und die symbolische Eliminierung klerikaler und vielfach auch weltlicher Macht.

 

Für die Bestimmung eines reformierten Verhältnisses zum Visuellen ist es nicht unwichtig, die Gründe für die Bilderfeindlichkeit der Reformation zu kennen. Im Spätmittelalter hatte sich ein magisch-autoritärer Bilderkult breitgemacht, der weniger der religiösen Kontemplation diente als vielmehr der Repräsentation von Macht und der Festigung von Abhängigkeiten. Unter Berufung auf das Zweite Gebot («Du sollst dir kein Gottesbild machen . . .», Exodus 20,4) bezeichnete die reformatorische Polemik Altäre, Bilder und Statuen unzimperlich als «Götzen», von denen die Kirchen zu reinigen seien. Die Tatsache, dass die biblisch begründete Ablehnung des Kirchenschmucks das Volk vielerorts zu tumultartigen Bilderstürmen bewegte, lässt ahnen, dass die Entfernung und Zerstörung der Bildwerke eine Eruption lange angestauten Zornes war, ein Aufstand von Unterdrückten gegen die Symbole ihrer Knechtschaft. Aus Furcht, die Kontrolle über die Revolte zu verlieren, nahm die Obrigkeit die Entfernung der Bilder selbst in die Hand: Stifter von Werken wurden aufgefordert, diese abzuholen, und die Räumung der Kirchen vollzog sich vielfach in geordneten Bahnen. Es bleibt jedoch eine Tatsache, dass die Bilderstürme gewaltige Mengen an Kulturgütern vernichtet haben. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass die Klage über den Verlust von Kunstschätzen einer romantisch-modernen Sichtweise entspringt. Bis ins Spätmittelalter waren Bilder und sonstige Kunstobjekte im wesentlichen handwerkliche Produkte, die vielfältigen Repräsentationszwecken dienten. Bilder galten als Stellvertreter des Dargestellten und waren als solche mit dem Gezeigten eins. Diese Weise des Repräsentierens gründete tief in archaisch-magischen Vorstellungen. Wurde Bildwerken die Eigenschaft der Vergegenwärtigung von Göttlichem, Heiligem oder von Herrschenden aberkannt, so reduzierte sich ihre Bedeutung auf den materiellen Wert des Edelmetalls oder Brennholzes.

 

Herrschaftsinstrumente konnten Bilder damals nur sein, weil Abbildungen im normalen Leben der Beherrschten Seltenheitswert hatten. Zeichnungen, Stiche, Gemälde, Skulpturen, bildlicher Zierrat waren nicht alltäglich. Was wir darstellende Kunst nennen, war für das Volk am ehesten in Kirchen zugänglich. Diese waren wohl die eigentlichen Bilderorte, Räume der Begegnung mit dem Nicht-Anwesenden, dem lediglich Repräsentierten. Hier sahen die Menschen religiöse und weltliche Herrschaftsverhältnisse abgebildet, in die sie selbst hineingestellt waren. Religiösen Stätten kam in diesem Sinn die Qualität eines Mediums zu: Sie orientierten die mittelalterlichen Betrachter in den grossen Zusammenhängen und Sinnfragen ihres Lebens.

 

Was Bilder bedeuten

Auch die moderne Welt ist von Bildern bestimmt, wenn auch in anderer Weise. Der Alltag ist bis zur Übersättigung visuell aufgeladen. Die unbegrenzte Menge an Bildern, der heutige Menschen passiv ausgesetzt sind und die sie aktiv wählen und heranholen können, erscheint mittlerweile zwar als Selbstverständlichkeit. Historisch ist dies jedoch ein junges Phänomen. Vor den ersten Fotografien von Joseph Nicéphore Nièpce und Louis Jacques Mandé Daguerre im frühen 19. Jahrhundert existierten keine apparativ hergestellten Abbilder. Erst gegen Ende des Jahrhunderts gab es gerasterte Fotos, die in Massenauflagen gedruckt werden konnten. In den letzten 130 Jahren haben Fotografie und Film eine Kulturrevolution bewirkt, die in einer Reihe steht mit den Medien-Epochenschritten der Menschheit: den Erfindungen von Schrift (4. Jahrtausend v. Chr.) und Buchdruck (in China 14., eventuell schon 11. und in Europa Mitte 15. Jahrhundert). Erst massenhafte Verfügbarkeit hat die Bilder allmählich entzaubert. Ein archaisches Verständnis hatte ihnen magische Kräfte zugeschrieben und sie nicht nur als Symbole, sondern als Träger von Macht gesehen. Mehr noch, sie hatten als Wesenheiten gegolten, die zu handeln fähig sind: Bilder verhexten oder heilten, bannten oder erlösten. Vollständig verschwunden sind derartige Erscheinungsformen von Bildermagie natürlich nicht; sie behaupten in vormodernen Kulturen ebenso unangefochten ihren Platz wie in deren neoarchaischen Reflexen, nämlich den Herrscher- oder Starkulten. Doch trotz solchen keineswegs marginalen Anachronismen führt kein Weg hinter die rationale Entmächtigung der Bilder zurück. Ästhetik versteht sie als Sinnkonstrukte, Semiotik liest sie als Zeichen, Psychologie verbindet sie mit seelischen Vorgängen – und der unbefangene Verstand sieht in ihnen unmittelbar, was sie zeigen.

 

Ein populäres Verständnis fotografischer und filmischer Bilder betrachtet diese als eine Art Fenster zur Welt, rechteckig begrenzte zweidimensionale Abbildungen der Wirklichkeit. Obschon diese Definition mindestens zwei Elemente enthält, die beim menschlichen Sehen nicht vorkommen, nämlich die starre Begrenzung und die Zweidimensionalität, macht es dem modern konditionierten Spontanverständnis keine Schwierigkeiten, in Bildern Wirklichkeit zu sehen. Das ist eigentlich erstaunlich, da wir es ja gewohnt sind, selbst solche Bilder herzustellen und aus Erfahrung wissen, dass sie gewählt, arrangiert und bearbeitet sind. Vermutlich ist denn auch das vorherrschende Verhältnis zu Bildern kein rein naives. Vielmehr steht die unmittelbare Gleichsetzung von Bild und Wirklichkeit neben einem reflektierten Bezug zum Bild, und die Betrachtenden schalten mühelos hin und her zwischen dem pragmatischen «Sehen, was da ist» und dem prüfenden «Infragestellen, was gezeigt wird».

 

Dieses Umschalten zwischen spontaner Wahrnehmung und Reflexion des Wahrgenommenen spielt auch eine Rolle beim komplexen Vorgang, Bildern eine Bedeutung zuzuschreiben. Bilder sprechen nicht. Sie werden erst im Prozess der Betrachtung zum Reden gebracht. Was sie sagen, wird im Comic mit Sprechblasen angezeigt, bei Pressebildern in der Legende erklärt und im Film durch den Ton beeinflusst. Ob derartige begleitende Kommunikationskanäle mit im Spiel sind oder nicht, ändert wenig daran, dass die Betrachtenden den Bildern mit einem inneren Diskurs Bedeutungen und Aussagen beifügen. Wer Bilder sieht, bringt sie unwillkürlich auf irgendeine Weise selber zum Sprechen oder folgt den Bildkommentaren Dritter. Diese macht man sich zu eigen oder nimmt sie zum Anstoss für eigene Deutungen. Was hier etwas ambitiös als «Kommentierung» von Bildern bezeichnet wird, führt in Wirklichkeit nur ausnahmsweise zu klaren, reflektierten Aussagen. Viele dieser «Diskurse» enden nach einem Augenblick bei Etikettierungen gemäss momentaner Betroffenheit, persönlichem Geschmack oder aktuellen Moden. Doch egal, wie spontan und beiläufig oder methodisch und tiefschürfend die Kommentierung abläuft: Es sind immer sprachliche Vorgänge, die Bildern Bedeutungen geben.

 

Religions- und Bildkritik

Die Bilderflut der modernen Zivilisation bliebe deshalb im eigentlichen Sinn stumm und bedeutungslos, wären die Bilder nicht mit Informationen und Botschaften verknüpft. Aktuell und historisch dokumentierende Bilder können nur gelesen werden, wenn Orte, Situationen, Anlässe, Personen und Zusammenhänge bekannt sind. Expressive Bilder machen ganz unterschiedliche Aussagen je nach den kommentierenden Diskursen, in die sie verwickelt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Verwendung von Bildern in der Werbung. Um die gewünschten Effekte zu erreichen, setzt Reklame bevorzugt Bilder ein, die möglichst eindeutig eine bestimmte Bedeutung suggerieren, also eine fixierte Kommentierung mitliefern. Die Klippe dabei ist das abgedroschene Klischeebild: Ist die Suggestion plump und platt, so lehnen die Betrachter den unterstellten Kommentar ab und machen sich ihren eigenen Reim – meist nicht im Sinne der Erfinder. In die gleiche Falle tappt häufig die religiöse Bildsprache. Die überdeutliche, klischeehafte Aufladung mit besinnlich-geistlichen Bedeutungen lässt die Bilder in den Kitsch abgleiten.

 

Angesichts der immensen Masse visueller Botschaften stehen die Kirchen in einem Wettbewerb der Sichtbarkeit. Dabei hat die reformierte Konfession primär keine sehr guten Karten. Der Vergleich mit der visuellen Opulenz des katholischen Vis-à-vis macht es deutlich. Der Unterschied hängt nicht allein an vordergründigen Qualitäten. Der schlichteste katholische Dorfaltar hat einen Nimbus. Das ist wie ein Glanz von einer anderen Welt. Diese Kirche sieht sich eben mit allem, was sie ist und tut, als Werk Gottes. Es ist ihr selbstverständlich, dies sichtbar zu machen, egal ob unter Bedingungen der Armut oder des Reichtums. Katholische Kirchlichkeit repräsentiert ein Selbstbild als Statthalterin des Jenseitigen und Vermittlerin des Heils. Repräsentation ist ihre Raison d‘être, und entsprechend ungebrochen ist ihr Verhältnis zum Sinnlichen. Sie weiss sich legitimiert, Glaubensinhalte greifbar und sichtbar zu machen. Die Prätention der alleinigen Kompetenz zur Heilsvermittlung, symbolisiert im Himmelsschlüssel als Insignium des Papstes, verleiht der katholischen Lehre Autorität nach innen und scharfe Konturen nach aussen. Die festgelegte Bildwelt dient auch der Befestigung von institutioneller Macht. Ungebrochene Selbstgewissheit der Institution, monarchisches Prinzip und bildstarke Vermittlung der Inhalte sichern dem römischen Katholizismus einen Spitzenplatz im Kampf um Aufmerksamkeit. – Einem Missverständnis ist vorzubeugen: Das Katholische ist hier schematisch und monolithisch dargestellt nicht etwa, weil dies auf die gesamte katholische Kirche zuträfe (der Schweizer Katholizismus ist nicht weniger vielstimmig als der Protestantismus), sondern weil die hierarchische Spitze diese Kirche genau so zeigen will und die Medien sie weitgehend so wahrnehmen.

 

Was heisst das für die reformierte Kirche? – Zum Wetteifern mit der römischen Hierarchie und erst recht dem vatikanischen Pomp gibt es glücklicherweise keine Veranlassung (ganz abgesehen von der Aussichtslosigkeit eines solchen Bemühens). Vielmehr tut die reformierte Kirche gut daran, am Vorrang des Hörens vor dem Sehen festzuhalten, ihre Kultur des anspruchsvollen und die Menschen ansprechenden Gottesdienstes zu pflegen sowie ihre Fähigkeit zum kreativen und kritischen Umgehen mit der Bilderwelt zu kultivieren.

 

Dieses Programm erfordert eine stetige Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Bilderverbots. Es ist ein Angelpunkt abendländischer Geistigkeit und Kultur. Sich kein Gottesbild zu machen, ist elementare Selbstbescheidung bei der Suche nach Wahrheit und Verzicht auf angemasste Verfügungsgewalt über das Absolute. Im Bilderverbot steckt die radikalste Religionskritik, welche innerhalb von Religion möglich ist. Es ist die Absage an die aller institutionell verfestigten Religion anhaftende Tendenz, das Göttliche dingfest und verfügbar zu machen. Die Bildlosigkeit des Kultes setzt eine Zäsur, die nicht bloss ein weltgeschichtlicher Moment ist, sondern eine kritische Kraft gegenüber jeder autoritativen Festlegung.

Mit ihrem Rückgriff auf das biblische Bilderverbot hat sich die Reformation dieses Potenzial neu erschlossen.

 

Herausgefordert ist solche Kritik in unserer Situation nicht mehr von kirchlicher Gefühlsmanipulation, sondern von einer kommerziellen und propagandistischen Bilderflut. Diese droht die Fähigkeit zur eigenständigen Kommentierung und Deutung von Bildern wegzuschwemmen. Es entspricht einer gut reformierten Haltung, dem Overkill des Visuellen nicht entfliehen zu wollen in einer weltabgewandten Haltung, sondern Bilder zu besprechen und zum Reden zu bringen – und so das Sehen zu verbinden mit dem Hören und Verstehen.

 

Dieser Text erschien erstmals im März 2011 als Grundsatzartikel im Jahresbericht 2010 der Reformierten Medien, dem Kommunikationsunternehmen der evangelisch-reformierten Kirchen der deutschsprachigen Schweiz.

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