Aludosen

Bauern haben Alarm geschlagen: Aludosen töten Kühe. Die ins hohe Gras geworfenen Behälter werden von Mähmaschinen unbemerkt zu kleinen messerscharfen Metallsplittern geschreddert und gelangen so ins Viehfutter. Kühe krepieren qualvoll an dem Zeug. Laut Medienberichten häufen sich die Fälle.

Natürlich empört man sich, wenigstens für ein paar Tage. Dann wird die Geschichte von anderen aufwühlenden News verdrängt und fällt dem Vergessen anheim. Es ist ja auch nicht eines der grossen Dramen der Zeit, das hier kurz aufscheint; es gibt wahrhaftig Schlimmeres. Trotzdem lässt mich die Sache mit den Aludosen und den Kühen nicht los. Dieses Leiden wäre zu vermeiden mit einer kleinen Tugend, die nicht schwerfallen sollte. Es ginge nur darum, etwas zu unterlassen, was sich nicht gehört: Abfall irgendwohin wegzuschmeissen. Zusätzliche Begründungen wären zwar möglich; sie wären jedoch geistiger Aufwand am falschen Ort. Bei so einfachen Dingen muss es mit der schlichten Regel genug sein: Das gehört sich nicht. Punkt.

Die Geschichte beschäftigt mich nicht nur aus Mitleid mit den armen Kühen, sondern auch wegen der Beunruhigung darüber, dass  das Tolerieren elementarer Untugenden sich an vielen Stellen offensichtlich einschleicht. Der Satz „Das gehört sich nicht“ wird als Ausdruck von Spiessertum bespöttelt, als realitätsferne Heile-Welt-Ideologie gebrandmarkt oder als Angriff auf Lebensfreude und urbane Multikultur zurückgewiesen. Allgegenwärtiger Abfall, Schmierereien und Vandalismus sind zwar nicht die Hauptprobleme unserer Gesellschaft, aber ihre schädigenden Wirkungen werden denn doch zu sehr verharmlost, wenn nicht überhaupt abgestritten.

Gewiss haben Alltagstugenden wie Anstand, Höflichkeit oder Rücksicht noch nie in problemloser Selbstverständlichkeit funktioniert. Aber ihre grundsätzliche Notwendigkeit war vermutlich schon breiter akzeptiert. In diesem Punkt benötigt gerade eine urbanisierte, in zunehmender Verdichtung lebende Gesellschaft einen erneuerten Normenkonsens, der dann auch propagiert und durchgesetzt wird. Das klare Nein zum Wegwerfen von Abfall dürfte  eines der Elemente davon sein.