Vor vier Monaten haben Mitarbeiter und Vorstand mich verabschiedet. Wegen Erreichens der Altersgrenze, so die bürokratisch-nüchterne Floskel, gab ich meinen Job ab. Ganz undramatisch, völlig in der Normalität unserer stabilen, weltweit und historisch ziemlich einmaligen Verhältnisse. Die Pensionierung gilt als terminaler Zielpunkt der Berufslaufbahn. Nimmt alles den geplanten Gang, so mündet sie in ein gesichertes Rentnerdasein. Abgesehen von der nie auszuschliessenden Möglichkeit privater oder allgemeiner Katastrophen ist man im Trockenen. Das ist eine ziemlich spiessige Sicht der Dinge – und gleichzeitig von ungeheurer Tragweite. Ich wundere mich jeden Tag darüber.
Die Mitarbeitenden hatten meine Abschiedsfeier unter das Motto „Grosse Freiheit“ gestellt und damit eine etwas andere Sicht favorisiert, die es ganz schön in sich hat. „Grosse Freiheit“ besagt nicht nur, dass ich über meine Zeit so frei verfügen kann, wie ich es sechs Jahrzehnte lang nicht konnte. Es bedeutet auch frei zu sein von Rücksichten, welche die Berufsrolle verlangte. Zudem entfällt der zwar sanfte, aber wirksame Druck, Interessen und Neigungen auch ausserhalb der Arbeit mindestens in Teilen auf diese auszurichten. Mit dem Thema der Abschiedsfeier wollte man wohl sagen: Wir trauen dir zu, dass noch einiges in dir steckt. Darin äussert sich ein freundschaftlicher Erwartungsdruck, der mir sehr gefällt.
Bislang habe ich noch recht ungenaue Vorstellungen darüber, wie ich die „Grosse Freiheit“ nutzen werde. Gern würde ich mein Wissen über Management und Kommunikation in einzelnen Projekten oder Beratungsaufträgen nutzbar machen. Ich bin anfragbar. Lektüren, Musik, Kunst und einige Hobbies haben sich in der freigewordenen Zeit zusätzlichen Platz erobert. Und das hiermit begonnene Blog soll als offenes Experiment Teil meiner stets neu zu erobernden Freiheit sein.